Poitiers Geschichtstour




Poitiers
 [pwa'tje] ist die Hauptstadt des Départements Vienne in der Region Nouvelle-Aquitaine im Westen Frankreichs. Bis 2016 war sie auch Hauptstadt der dann aufgelösten Region Poitou-Charentes. Sie liegt am Fluss Clain und zählt 90.033 Einwohner (Stand 1. Januar 2020).

Aufgrund ihrer 78 unter Denkmalschutz stehenden Kulturdenkmäler wurde sie mit dem Prädikat Stadt der Kunst und Geschichte ausgezeichnet.

Schon um 30.000 v. Chr. ließen sich die ersten steinzeitlichen Menschen in den zahlreichen Höhlen und Grotten (abris) des Vézère-Tals nieder; davon zeugen noch heute die als Weltkulturerbe eingestuften Felsmalereien von Lascaux etc. Der moderne Mensch wurde nach der Grotte von Cro-Magnon auch Cro-Magnon-Mensch genannt.

Die Allée couverte de Blanc gilt als eine der besterhaltenen Anlagen der Megalithkultur in der Region.

Im Altertum war die Gegend zunächst Bestandteil des keltischen Gallien, bevor sie von den Römern erobert und der Provinz Gallia Aquitania einverleibt wurde. Reste römischer Kultur und Bebauung finden sich als Ruinen noch in der Stadt Périgueux. Im Zuge der Völkerwanderung eroberten die Franken das Gebiet.

Mittelalter

Bereits im Jahr 866 wurde die Grafschaft Périgord gegründet, die wiederum Lehen an vier Barone vergab. Diese errichteten ihre Burgen in Mareuil an der Grenze zum Angoumois, in Biron an der Grenze zum Quercy, in Beynac und in Bourdeilles. Die Standortwahl war militärstrategisch geprägt und die Familiensitze daher ausgedehnte, fast uneinnehmbare Festungen. Auch politisch genossen die Barone weitgehende Freiheiten und waren als Heerführer in vom französisch-englischen Gegensatz geprägten Jahrhunderten für die Grafen unentbehrlich. Während des Mittelalters war das Périgord zwischen Franzosen und Engländern lange umkämpft: Nach der Hochzeit Eleonore von Aquitaniens mit Henri Plantagenêt fiel der französische Südwesten für 300 Jahre und länger als Lehen an England. Im Hundertjährigen Krieg zog sich die Frontlinie quer durch das Périgord, wobei die Dordogne lange Zeit die Machtbereiche von Franzosen im Norden und Engländern im Süden markierte. Politisch blieb die Grafschaft praktisch unbedeutend, denn sie geriet immer wieder zwischen die Fronten beider Interessen und die Regenten waren mit zu geringem politischen Talent ausgestattet, um hieraus Kapital zu schlagen. Im Gegenteil mussten sich die Grafen der Vasallentreue ihrer mächtigen, oft auf verschiedener Seite kämpfenden Barone genauso versichern, wie sie die territorialen Begehrlichkeiten der Könige abwehren mussten. Dies gelang ihnen mit fortschreitendem Kriegsgeschehen immer weniger.

Nachdem sich ab 1204 führende Orte unter den Schutz des französischen Königs gestellt hatten, begann dieser mit der systematischen Befestigung strategisch bedeutender Plätze und der Neuerrichtung zahlreicher, planmäßig angelegter Wehrdörfer (Bastiden), deren Bewohner mit teils weit reichenden Privilegien angelockt wurden. Im englischen Herrschaftsbereich setzte die gleiche Entwicklung ein; auch entstanden in dieser konfliktträchtigen Zeit eine Vielzahl romanischer Wehrkirchen, die der dörflichen Bevölkerung als Zuflucht dienen konnten und teils sogar Elemente von Befestigungsanlagen trugen. Diese Bauwut hat das Périgord zu einem Kernland der romanischen Architektur werden lassen. Die entscheidende Schlacht von Castillon 1454, die die Engländer endgültig vom französischen Festland vertrieb, fand in Wirklichkeit bei Lamothe-Montravel im Périgord statt.

Neuzeit

Es schloss sich ein knappes Jahrhundert des Friedens und des Wohlstandes an, in dem eine kulturelle Blüte und bürgerliche Schaffenskraft für einen Entwicklungsschub sorgten. Der wirtschaftliche Aufschwung nahm seinen Anfang, als sich der atlantische Seehandel voll entfaltete. Reich an natürlichen Ressourcen wie Holz und Eisen sowie landwirtschaftlichen Produkten (vor allem dem damals berühmten regionalen Wein), erstarkte die Region nachhaltig. Michel de Montaigne, zeitweise Bürgermeister von Bordeaux, und Étienne de la Boétie waren literarische und philosophische Größen ihrer Zeit. Auch wurden fast alle mittelalterlichen Burgen zu eleganten Residenzen umgebaut, in denen sich der neue Architekturstil der Renaissance niederschlug. In Städten wie Périgueux und Sarlat-la-Canéda sind noch heute prachtvoll ornamentierte Bürgerhäuser zu bestaunen. In die Zeit der Renaissance fällt auch der Neubau vieler Schlösser und Landsitze, so dass das Périgord heute auch den Beinamen „Land der 1000 Schlösser“ führt.

Schon im Gefolge der Reformation allerdings kündigten sich die nächsten Unruhen an: Die ab 1540 einsetzenden Religionskonflikte trafen das Périgord hart. Périgueux hielt der katholischen Kirche die Treue, während Bergerac sich der Reformation anschloss. Es kam in der Folge wiederholt zu Massakern, die wechselseitig von Katholiken und Hugenotten begangen wurden. Erst das Toleranzedikt von Nantes 1598, das viele protestantisch geprägte Orte unter königlichen Schutz stellte, sorgte für eine langsame Beruhigung. Zugleich aber vermehrten sich die sozialen Spannungen: Der wirtschaftliche Aufschwung war neben dem Bürgertum vor allem den lokalen Adligen zugutegekommen, während die Landbevölkerung unter erdrückenden Abgabenlasten, Verschuldung und Existenznot litt. Während des 17. und 18. Jahrhunderts flammten daher immer wieder Aufstände auf. Diese beschränkten sich keineswegs auf spontane Unruhen: Mehrfach stellten die Aufständischen, die sich Croquants nannten, regelrechte Heere auf und nahmen Städte ein. Die gnadenlose Reaktion der Adligen beendete solche Aufstände jedoch – wenn auch oft erst nach jahrelangen Kämpfen – mit äußerster Gewalt. Die Aufhebung des Toleranzediktes durch Ludwig XIV. 1685 war für das Périgord eine Katastrophe: Sehr viele Protestanten verließen das Land, das so seiner wirtschaftlichen Elite beraubt wurde und in Armut und Bedeutungslosigkeit versank.

Mit der französischen Revolution befreiten sich auch die Périgordins von der Vormundschaft des Adels und entschieden 1790, ihr Département mit dem Namen Périgord auszustatten, deren Hauptstadt ursprünglich zwischen den größeren Städten alternieren sollte. Die alte Grafschaft wurde fast in ihren ursprünglichen Grenzen in dieses Département überführt, wobei sie im Süden und Osten Gebiete abgab, im Norden jedoch einige Landstriche hinzu gewann. Noch im selben Jahr wurde von der französischen Zentralregierung verfügt, den Namen in "Dordogne" umzubenennen und die Präfektur in Périgueux fest zu etablieren.

Die Industrialisierung setzte im Périgord spät und spärlich ein, so dass die Gegend wirtschaftlich unterentwickelt blieb. Zugleich ruinierte der Reblausbefall ab den 1860er Jahren nahezu den gesamten Weinbau. In der Folge war ein weiterer wirtschaftlicher Niedergang festzustellen, von dem sich die Region bis heute nicht erholt hat. Massive Landflucht und Auswanderung waren die Folge; noch heute leben im Département Dordogne weniger Menschen als im Jahr 1800. Einige öffentlich geförderte Großansiedlungen milderten die Effekte, wie zum Beispiel die Einrichtung eines Ausbesserungswerkes für die staatliche Eisenbahngesellschaft SNCF in Périgueux, durch die tausende Arbeitsplätze geschaffen wurden.

Während des Zweiten Weltkriegs war die Region eines der Hauptaktionsgebiete der Résistance. Im Westen verlief die Demarkationslinie zwischen dem deutschen Besatzungsgebiet und Vichy-Frankreich, zu dem der größte Teil des Périgord gehörte. Über diese Grenze wurde eine Vielzahl von Waren, auch Waffen und Sprengstoff, geschmuggelt und außerdem Flüchtlinge und politisch Verfolgte hin- und herbewegt. Das häufig dicht bewaldete, dünn besiedelte Gebiet bot dem Maquis Rückzugsgebiete, von denen aus die Résistants operieren konnten. Im Unterschied zum benachbarten Limousin kam es jedoch weitaus weniger zu spektakulären Anschlägen, Rachefeldzügen und Massakern.

In jüngerer Zeit ist sich das Périgord seiner langen Geschichte und Tradition, insbesondere aber seiner touristischen Qualität bewusst geworden. Heute werden viele leer stehende oder verfallende Herrenhäuser, Bauernhöfe, Mühlen und Schlösser von Ausländern erworben, die diese renovieren und ihr sommerliches oder sogar dauerhaftes Domizil aufschlagen. Führend sind hierbei Engländer, aber auch Niederländer und Deutsche interessieren sich vermehrt für die Region als Lebensmittelpunkt.

Siehe auch Liste der Grafen von Périgord

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