Annecy entdecken



 

Geschichte von Annecy

Blick über die Dächer der Altstadt

Die Ufer des Lac d’Annecy sind seit mindestens 3100 v. Chr. besiedelt. 50 v. Chr. wurde an der Stelle der Stadt eine römische Siedlung gegründet, die den Namen Boutae bzw. Bautas trug. Im Jahr 259 wurde bei Überfällen von „Barbaren“ der Marktflecken zerstört und ein Teil der Bevölkerung umgebracht. Einige der Überlebenden gründete in den nahen Hügeln den Ort Anniciaca. Bis ins 6. Jahrhundert wiederholten sich die Angriffe, woraufhin die letzten Bewohner Boutae aufgaben.

Mittelalter

Im 7. Jahrhundert wurde die Stelle am Ufer des Thiou neu besiedelt. Die erste urkundliche Erwähnung des heutigen Annecy stammt aus dem Jahr 1107, als zwischen der ersten Kirche Saint-Maurice und der im Bau befindlichen Burg Château d’Annecy der Ort errichtet wurde. Kriegerische Auseinandersetzungen mit den Bischöfen von Genf führten zur Flucht der Grafen von Genf nach Annecy, die den Ort zu ihrer Hauptstadt machten. Letzter Graf von Genf war der in Annecy geborene Gegenpapst Clemens VII. (1342–1394).[1]

1401 wurde der Ort mit der Grafschaft Genf von Odo von Thoire und Villars an Amadeus VIII. aus dem Haus Savoyen verkauft,[1] 1444 schuf jener eine Apanage für ein Mitglied seiner Familie, dem er eine weitgehende Autonomie zusicherte. Janus, der fünfte Sohn Ludwigs des Älteren, machte Annecy zu seiner Residenz und zur Hauptstadt der Grafschaft. Nach seinem Tod gehörte der Ort von 1491 bis 1514 vorübergehend zu Savoyen und wurde dann bis zum 17. Jahrhundert erneut zur Apanage.

Im 15. Jahrhundert umfasste Annecy mehr als ein Dutzend Klöster, die Hälfte der Stadt sowie große Ländereien und Wälder gehörten verschiedenen Orden. Mit dem Aufkommen des Calvinismus im nahen Genf wurde die Stadt zu einem Zentrum der Gegenreformation, der Genfer Bischofssitz wurde nach Annecy verlegt. Aus jener Zeit stammen Bauwerke wie die Kathedrale Saint-Pierre. 1602 wurde Franz von Sales Bischof der Stadt.

Renaissance bis 20. Jahrhundert

Während der Französischen Revolution wurde die Stadt Ende 1792 von den Revolutionstruppen erobert. Savoyen verlor seine Unabhängigkeit und wurde ein Teil Frankreichs. Annecy wurde dem damaligen Département Mont Blanc zugeschlagen, dessen Hauptstadt Chambéry war. Damit stand der französische Markt der Stadt offen. Die Bürger der Stadt empfanden die Vertreibung des Herzogs zunächst als Befreiung. Die religionsfeindliche Politik der Revolutionsregierungen brachte die Bevölkerung jedoch gegen Frankreich auf. In den ersten 23 Jahren der Zugehörigkeit zu Frankreich entstanden an den Ufern des Thious zahlreiche Fabriken.

Nach 1815 wurde Annecy als Folge des Zweiten Pariser Friedens an das Haus Savoyen zurückgegeben. Nach dem Anschluss Savoyens an Frankreich im Jahr 1860 (Vertrag von Turin) wurde Annecy die Hauptstadt des neuen Départements Haute-Savoie.

1866 erreichte die Eisenbahn die Stadt, was die Entwicklung der Industrie und des Tourismus förderte. Um die folgende Jahrhundertwende entstanden neue Stadtteile. 1906 lieferte ein Kraftwerk am Fier erstmals Strom für die elektrische Beleuchtung.

Zweiter Weltkrieg

Im Juni 1940 besiegte die Wehrmacht Frankreich; zum Zeitpunkt des Waffenstillstands befanden sich deutschen Soldaten bereits unweit der Stadt. Der Stadtrat erkannte umgehend die Autorität des Vichy-Regimes an und betrieb die Ablösung des republikanisch eingestellten Präfekten. Im Hôtel d’Angleterre wurde nach dem Waffenstillstand eine italienische Beobachterkommission einquartiert. 

Mit der Kriegsveteranenorganisation Légion française des combattants, aus der 1943 die rechtsextreme Milice française hervorging, etablierte sich auch in Annecy eine paramilitärische Truppe der Vichy-Regierung, die später mit der Besatzungsmacht kollaborierte. Am 23. September 1941 weilte der Staatschef des „État français“ (unbesetzte Zone) Philippe Pétain in der Stadt.

Daneben gab es Widerstand seitens der Bevölkerung. So liefen z. B. am 1. Mai 1942 auf einen Aufruf von Radio London hin Menschen schweigend vor dem Rathaus hin- und her. Im November 1942 wurden im Quartier Galbert italienische Gebirgsjäger (Alpini) einquartiert, was im Jahr darauf zu Auseinandersetzungen mit zwei Todesopfern führte. Erstmals am 11. Dezember 1942 wurde die örtliche Lagerfabrik von alliierten Bombern angegriffen, wobei im Quartier Balmette fünf Personen starben. Bei einem zweiten Bombenangriff auf das Lagerwerk kamen im Quartier Loverchy am 11. November 1943 elf Menschen ums Leben. Zerstört wurden die Maschinen der Fabrik drei Tage später durch Saboteure der Résistance. Ein dritter Angriff am 10. März 1944, der auch dem Bahnhof und der Telefonzentrale galt, forderte nochmals elf Todesopfer.

Im Winter 1942/1943 etablierten sich in Hochsavoyen Widerstandsgruppen wie die Franc-Tireurs und die Armée secrète, denen die Deportation von Zwangsarbeitern nach Deutschland zusätzlichen Zulauf bescherte. Am 8. September 1943 verließen die italienischen Truppen die Stadt und deutsche Soldaten marschierten ein. Damit wurde die Unterdrückung stärker. Die Wehrmacht okkupierte neben der Kaserne mehrere Hotels, die Gestapo quartierte sich in der Villa des Lagerwerkchefs ein. In der Komturei residierte fortan die Milice, in einer Brauerei die Groupe mobile, eine paramilitärische Einheit des Vichy-Regimes. 

Die Saint-François-Schule wurde von den Deutschen als Gefängnis genutzt; dort wurde später ein Massengrab mit sieben Toten entdeckt. Zwischen dem 10. und dem 13. März 1944 wurde die Stadt intensiv durchkämmt, in der Folge wurden 24 Menschen standrechtlich erschossen und rund 20 Personen deportiert. Auch das Palais de l’Isle und das Schiff France wurden damals zu Gefängnissen.

Die Partisanen der Résistance operierten von der Hochebene Plateau des Glières aus. Mit Artillerie und Flugzeugen griffen die Deutschen die Maquisards an und erreichten am 27. März 1944 das Gebiet, am 1. Mai kehrten jene auf das Plateau zurück. Die alliierte Landung in der Normandie im Juni 1944 führte zu vermehrten Angriffen und Sabotageakten der Résistance, zugleich aber auch zu verstärkter Repression und häufigeren Strafaktionen seitens der Besatzer. Im Quartier Galbert und im nahen Vieugy erschossen die Deutschen Geiseln und Verurteilte wie den Unterpräfekten von Bonneville. Den Partisanen gelang es dennoch zunehmend, zunächst Dörfer und später Städte zu erobern und die Garnisonen der Wehrmacht voneinander zu isolieren.

Annecy am Tag der Befreiung (19. August 1944)

Nach in Chavoire geführten Verhandlungen legte die deutsche Garnison in Annecy am 19. August 1944 die Waffen nieder. Die Bekanntgabe einer Liste von mehr als hundert Bürgern der Stadt, die von den Deutschen erschossen werden sollten, darunter der Präfekt, der Bürgermeister, der Bischof und alle Gefangenen der Saint-François-Schule, führte zu einem Sturm der Menschen auf die rasch beflaggten Straßen. Die Betreffenden wurden befreit, die Schaufenster der Einrichtungen der Besatzer und der Kollaborateure zerstört. Am Morgen des 24. August wurden 76 standrechtlich verurteilte Angehörige der Milice in Le Grand-Bornand erschossen.

In der Folgezeit wurden in Annecy deutsche Kriegsgefangene interniert. Als bekannt wurde, dass in Lyon französische Gefangene erschossen worden waren, erschossen die Forces françaises de l’intérieur (FFI) am 28. August und am 2. September 1944 als Repressalie 80 Deutsche, überwiegend Angehörige der Sicherheitspolizei und des SD, sowie des SS-Polizei-Regiments 19, die zuvor an der brutalen Verfolgung französischer Widerständler beteiligt waren. In der Folge wurde den Angehörigen der FFI von den Deutschen der Kombattantenstatus zuerkannt. Anfang November 1944 besuchte Charles de Gaulle die Stadt.

Im Zuge der Kriegshandlungen und der Besetzung kamen in Annecy bis zum Tag der Befreiung 136 Menschen ums Leben: 50 von ihnen wurden direkt Opfer der Deutschen, 30 starben bei Bombenangriffen. Die Zahl der zerstörten oder unbewohnbaren Wohnhäuser wurde 1945 von der Stadtverwaltung auf 150 geschätzt. 552 Männer aus Annecy gerieten in deutsche Kriegsgefangenschaft, aus der am 1. Januar 1943 55 entlassen wurden. Von den 140 Deportierten kehrten 50 nicht mehr in die Stadt zurück.

Nach 1945

Annecy war im Jahr 1949 der Sitzungsort der zweiten Verhandlungsrunde des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens GATT.

Zum 1. Januar 2017 wurden die umliegenden Nachbargemeinden Annecy-le-VieuxCran-GevrierMeythetPringy und Seynod nach Annecy eingemeindet, wodurch sich die Bevölkerungszahl mehr als verdoppelte.

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