Barocke Schlösser im Südwesten


Das Zeitalter des Barock begann im 17. Jahrhundert und ging einher mit der Herrschaftsform des Absolutismus. Die Fürsten konzentrierten immer mehr Macht in ihren Händen und wollten diese durch repräsentative Bauten zum Ausdruck bringen. Die Symmetrie wurde zum Kanon und die Ebenmäßigkeit der Schlösser der ausgehenden Renaissance – etwa des Escorial oder des Quirinalspalasts – zum Diktat. Frühe Palais im neuen Stil waren der Palazzo Barberini in Rom und das Prager Palais Waldstein, beide aus den 1620er Jahren; der französische Stil wurde ab 1656 mit dem Schloss Vaux-le-Vicomte geprägt. Eine immer prächtigere Architektur demonstrierte Anspruch und Macht. Das berühmteste Beispiel ist das Schloss Versailles um 1670, von welchem man sich in ganz Europa inspirieren ließ und das man oft zum Vorbild nahm; seinem Bauherrn, dem französischen „Sonnenkönig“ Ludwig XIV., wird der programmatische Ausspruch „Der Staat bin ich“ zugeschrieben. Die kilometerweit die Landschaft durchschneidenden Sichtachsen sollten die Beherrschung des Reiches wie auch die Konzentration des Landes auf den Herrschersitz symbolisieren. Manchmal wurden daher ganze Städte auf die Barockschlösser ausgerichtet (Planstädte wie Karlsruhe), die nicht nur zum Mittelpunkt von Landstrichen, sondern auch von Kultur, Politik und Gesellschaft wurden. Die Schlossarchitektur wurde eingerahmt von den prächtigen und ausgedehnten Barockgärten, die als Kulissen von Festlichkeiten, Konzerten und Feuerwerken dienten.

Im 17. Jahrhundert hatte sich zunächst im katholisch geprägten Europa ein sehr ausladender bis überladener Baustil entwickelt, der mit einer ins Theatralische gewandelten Kirchenarchitektur begann. Auch bei Schlössern wurden Fassaden mit SäulenPilastern und Statuen reich geschmückt und gegliedert, sie sprühten oft vor Ideen und Detailreichtum, und im Unterschied zur Renaissancearchitektur wirkten sie nicht statisch, sondern bewegt. Rhythmisch steigerten sich die Nebengebäude und Seitenflügel zum großen Corps de Logis im Zentrum, dem meist ein großer Ehrenhof vorgelagert war. Der Grundriss wurde selbst zum Ornament und gigantische Schlossparks verlängerten die Architektur nach außen in die Natur. Im Inneren der Gebäude war die Raumfolge der Paradezimmer und Festsäle vom strengen Hofzeremoniell genau bestimmt. Während die italienische Raumaufteilung seit der Renaissancezeit Korridore vorsah, von denen aus die Räume erschlossen wurden, waren nach französischem Schema, vor allem im 18. Jahrhundert, die Baukörper komplett mit Räumen ausgefüllt, welche durch Enfiladen verbunden wurden. Auch große und prachtvolle Treppenhäuser spielten nach dem Vorbild der Versailler Gesandtentreppe eine Rolle im protokollarischen Zeremoniell. Die Raumfolge der Enfilade war weitgehend standardisiert, insbesondere schlossen sich an das Zentrum des Corps des Logis zwei parallele Appartements für die fürstlichen Eheleute an, mit jeweils eigener Zimmerfolge.

Während in Frankreich nach dem Tod Ludwigs XIV. 1715 die Epoche des Absolutismus trotz Weiterbestehens des Ancien Régime kulturell mit der Régence bereits in die Epoche der Aufklärung überging, entstanden andernorts erst jetzt Barockpaläste nach absolutistischem Versailler Vorbild: Schlossanlage Schleißheim (ab 1701) und der Ausbau von Schloss Nymphenburg (bis 1725) bei München, Schloss Belvedere (ab 1714) und Schloss Schönbrunn (ab 1743) bei Wien, Schloss Karlsruhe (ab 1715), deutsche Bischofsresidenzen wie Schloss Weißenstein (Pommersfelden) (ab 1711), die Würzburger Residenz (ab 1720), Schloss Bruchsal (ab 1720) oder Schloss Brühl (ab 1725) bei Köln, bourbonische Königspaläste wie der Palacio Real (1734–1764) in Madrid oder der Palast von Caserta (ab 1751) bei Neapel. Auch die russischen Zaren ahmten süd- und westeuropäische Vorbilder nach, etwa beim Winterpalast (ab 1721) in Sankt Petersburg sowie den ländlichen Residenzen Schloss Peterhof (ab 1714) und Katharinenpalast (1734–1760). Die Epoche endete mit dem Rokoko, welches die Kunst des Barock spielerisch zur letzten Blüte brachte, jedoch meist die kleinere Form des Lustschlosses vorzog, etwa Schloss Sanssouci (ab 1745). Mit dem Neuen Palais in Potsdam (ab 1763) und den Bischofsresidenzen von Münster (1767–1787) und Koblenz (1777–1793) entstanden letzte, schon frühklassizistische Palastbauten im Sinne der barocken Idee. Die Herrenhäuser des Adels ahmten die Herrscherresidenzen stilistisch (à la mode) im Kleinen nach.

Im protestantischen Norden (Norddeutschland, Skandinavien und England) entsprach zunächst eine schlichtere Gestaltung dem landesherrlichen Selbstverständnis. Für die protestantischen Fürsten des 17. Jahrhunderts stand in erster Linie das Bild eines patriarchalischen Dieners des Gemeinwesens im Vordergrund, der Bildung, Kirche und Allgemeinheit zu fördern hatte, während sein persönlicher Genuss zurücktreten sollte. Zumeist bewohnten sie die Renaissanceschlösser ihrer Vorfahren weiter und verzichteten auf aufwändige Neubauten. Wenn solche errichtet wurden, wie etwa das 1643–1654 erbaute Schloss Friedenstein in Gotha oder das ab 1682 erbaute Schloss Elisabethenburg in Meiningen, geschah dies in einem betont schlichten bis kargen Barockstil. Zum Vorbild für England und Norddeutschland wurde das ab 1685 errichtete Schloss Het Loo in den Niederlanden, ein ebenfalls schlichter, aber wohlproportionierter und nobel gegliederter Bau, den der Statthalter Wilhelm III. von Oranien erbauen ließ. Ab 1689 zugleich englischer König, verstand er sich als Anführer der protestantischen Mächte Europas, der die Hegemonialansprüche seines großen Gegenspielers, des französischen „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV., einzudämmen suchte. Erst ab der Wende zum 18. Jahrhundert wurden die in katholischen Gebieten entwickelten Muster allmählich auch von Protestanten übernommen, etwa beim Berliner Schloss und Schloss Charlottenburg, dem Stockholmer SchlossSchloss RastattSchloss LudwigsburgSchloss Arolsen oder Schloss Ludwigslust.

In Frankreich und England entwickelte sich von der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts ein klassizistischer Barock, der an die Antikenrezeption der Renaissance anknüpfte. Er suchte die Grandiosität des Barock mit der Monumentalität der klassischen Antike zu kombinieren. Die Übergänge vom Barock und Rokoko in den nüchterneren Klassizismus geschahen fließend, so entwickelte sich in England und seinen Kolonien bereits ab 1720 die Georgianische Architektur.

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